Leipziger der Woche
vom 21.09.98–27.09.98:

Heidrun Fichtner –
Einzelhändlerin in der Eisenbahnstraße

(Einen neuen Leipziger der Woche gibt's wegen internen Problemen erst später!)

     
„Ich bleibe hier.“

Das Berufsleben von Heidrun Fichtner ist eng mit dem Leipziger Osten verbunden. Es begann für die damals Achtzehnjährige als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft der Konradstraße. 1977 wurde Frau Fichtner private Händlerin auf Kommissionsbasis, heute würde man sagen, sie machte sich selbständig. Aus ihrer langen Tätigkeit resultieren eine Vielzahl persönlicher Kontakte, zu anderen Einzelhändlern aber vor allem zu ihren Kunden. Manches Schicksal ist ihr so bekannt. Die Menschen haben eben Vertrauen zu der freundlichen und aufgeschlossenen Frau und kommen auch gerne auf einen Schwatz vorbei.

1990 nutzte Heidrun Fichtner die Gelegenheit und gründete ein eigenes neues Geschäft. In ihre Läden in der Eisenbahnstraße mußte erst einmal investiert werden, erzählt die Inhaberin. Vorher befanden sich dort nämlich ein Milchgeschäft und ein Lager. Das sieht man den Räumen heute nicht mehr an, und die anspruchsvoll dekorierten Schaufenster unter den grünen Markisen des Modegeschäftes sind zum gewohnten Bild geworden. Von der schwierigen Lage in der Eisenbahnstraße ist natürlich auch Frau Fichtner betroffen. Angesichts der Geschäftsaufgaben und Wegzüge meint sie etwas trotzig: „Ich bleibe hier.“. Sie begründet das durch die langjährigen Verbundenheit mit dem Gebiet. „Die Eisenbahnstraße ist eine der belebtesten Einkaufsmeilen in Leipzig gewesen. Sie hat das Zeug dazu, das auch wieder zu werden!“, ist die Geschäftsfrau überzeugt.

Allerdings muß sich dazu noch vieles ändern. Mit: „Was nützt die schönste Stube, wenn der Flur nicht aufgeräumt ist?“, beschreibt Heidrun Fichtner die Situation. Dabei wehrt sie sich entschieden, die Eisenbahnstraße generell zu verteufeln oder abzuschreiben. Sie nennt Beispiele aus den alten Bundesländern, wo auch verkehrsreiche Straßen beliebte Einkaufsorte sind. Es muß ein fester Termin für den Beginn der Umgestaltung und die Entlastung der Straße genannt werden, fordert sie. Selbst wenn der erst in fünf Jahren wäre, würde die klare Perspektive viele ermutigen zu investieren. Denn das Erscheinungsbild der Straße ist wichtig für den Erfolg oder Mißerfolg der Läden. Sie ist dafür, die Eigentümer der Häuser mehr in die Verantwortung zu nehmen. Viele Gebäude sind zu spekulativen Zwecken gekauft worden. Die Besitzer warten nun auf bessere Zeiten. Das die noch vielen unsanierten Häuser dem Ansehen der Straße nur schaden, interessiert die nicht.

Es gibt aber auch Probleme, die schneller gelöst werden könnten, meint Frau Fichtner. Gemeinsam mit anderen Einzelhändlern hat sie die Begehungen für Vertreter der Stadtverwaltung angeregt. Ein erstes Ergebnis sind die Einrichtung von Kurzzeitparkplätzen in den Nebenstraßen. Andere Vorschläge der Händler sind noch nicht verwirklicht. Dazu gehört ein Fußgängerüberweg zwischen den Kreuzungen der Eisenbahnstraße mit der Hermann-Liebmann-Straße und der Torgauer Straße. Hier gibt es auf der Länge von 700 m keine Möglichkeit die verkehrsreiche Magistrale sicher zu überqueren. Und das, obwohl die Gefährdung von älteren Menschen oder Schulkindern sehr hoch ist. Auch die Kunden bleiben natürlich aus. Frau Fichtner zog die Konsequenz und verlegte alle Bereiche ihres Modegeschäfts auf eine Straßenseite.

Doch Heidrun Fichtner stellt nicht nur Forderungen. Sie ist der Meinung, daß man seinen Standort pflegen muß, und das heißt Eigeninitiative. Der gelernten Dekorateurin fällt es leicht mit ihren Schaufenstern zu werben. Doch auch die ständig frisch bepflanzten Blumenkübel, die Markisen - es gibt viele Möglichkeiten das Bild der Straße zu verschönern. Zumindest im Erdgeschoß sollten alle Fassaden gestrichen sein. Manchmal fahren die Straßenbahnen aller drei Minuten vorüber. „Das ist eine große Chance!“, argumentiert die Geschäftsfrau. Sie wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Läden. „Warum sollen unsere Kunden nicht schon im Schaufenster sehen, wo es auch noch den passenden Hut oder die richtige Tasche zum neuen Kleid gibt?“, fragt sie.

Frau Fichtner bricht eine Lanze für die kleinen Geschäfte. Individuelle Betreuung und persönliche Kontakte sind in den Einkaufszentren gar nicht möglich. Bezogen auf die Verkaufsfläche gibt es im Einzelhandel das meiste Personal. Für die Zufriedenheit des Kunden ist das ein großer Vorteil. Auch das Argument der höheren Preise stimmt nur bedingt. Denn was in den Kaufhäusern angeboten wird hat oft keine Qualität. Markenartikel aber kosten überall mehr. Und zu den Parkmöglichkeiten gibt sie zu bedenken, wie weit man z.B. im Paunsdorf Center vom Auto in die einzelnen Geschäfte laufen muß. Da sind die Entfernungen in der Eisenbahnstraße geringer.

Wenn es die Zeit erlaubt, trifft sich Heidrun Fichtner noch heute mit den alteingesessenen Komissionshändlern. Es wäre schön, wenn auch die Inhaber der neuen Geschäfte mit „an den Tisch“ kommen. Gemeinsam könnten sie noch viele kleine und große Schritte vorankommen. Seit Jahren träumt sie zu Weihnachten von Lichterketten in der Eisenbahnstraße...

Uwe Korn, edition k

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