Leipziger der Woche
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Gerald Müller-Simon
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Es ist Freitag, 17.00 Uhr. Ich möchte mir die neue Ausstellung Stadtansichten und Stilleben ansehen und bin unterwegs zur Galerie Leipziger Hof. Während in der Eisenbahnstraße noch der Berufsverkehr rollt und Wochenendeinkäufe gemacht werden, ist es vor der Galerie in der Hedwigstraße ruhig. Auch in der Ausstellung treffe ich keinen Besucher. Die ausgestellten Bilder passen zu dieser Ruhe. Auf den Ölgemälden ist ebenfalls kein Mensch zu sehen. Sie stellen Innenansichten großer Räume oder Außenansichten von Straßen, Plätzen und Innenhöfen dar. Bei den Stadtansichten stutze ich. Ja, das ist eindeutig Leipzig, aber wo...? Manche Orte glaube ich zu erkennen, das ist das Unihochhaus im Hintergrund, dort sieht man die Thomaskirche. Auch die dargestellten Straßen sind typisch Leipzig. Gründerzeithäuser, Baulücken, Straßenbäume und alte Villen, man geht täglich daran vorbei. Die Vertrautheit entsteht aus der eingefangenen Stimmung der Bilder. Sie wirken nicht bunt aber auch nicht grau. Vielmehr ist es das Licht zu einer bestimmten Tageszeit, das Schatten entstehen läßt oder Fassaden erhellt.
Im nächsten Ausstellungsraum erwartet mich eine Überraschung. Hier hängen Tuschezeichnungen, die auf den Reisen des Malers entstanden sind. Auf mich wirken die Motive sehr sonnig, südländisch und leichter als die vorhergesehenen Bilder. Urlaubsstimmung kommt auf. Ich stelle Fragen an die Galeristin. Vielleicht könnte man sich auch mit dem Maler unterhalten? Man kann. Ein kurzes Telefongespräch, der Hörer wird mir übergeben und ich habe mich mit dem Maler Müller-Simon bei ihm zu Hause verabredet. Als ich am Montagmorgen zu seiner Wohnung fahre, ist mir etwas bange. Hin und wieder hat man sich eine Ausstellung angesehen, aber ein Kunstkenner bin ich nicht und die Schulzeit ist auch lange her. Die Befürchtungen sind unbegründet. Ich werde vom Ehepaar Müller-Simon freundlich empfangen. |
In dem großen hellen Wohnzimmer der Familie, natürlich voller Bilder, unterhalten wir uns über Zeitungen, Verkehrsprobleme und Kunsterziehung. Ich muß aufpassen, daß ich meine Fragen loswerde. Ich erfahre, daß Herr Müller-Simon 1931 in Plagwitz geboren wurde und den Beruf eines Keramik-Lithografen erlernt hat. 1950, als viele Arbeiterkinder für ein Hochschulstudium geworben wurden, begann er sein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Seit 1955 ist er als freischaffender Künstler tätig und malt nun seit über vierzig Jahren Bilder von Leipzig. Als Chronist der Stadt fühlt er sich allerdings nicht. Er malt einfach Motive und Situationen, die ihn als Künstler reizen. Im übertragenen Sinne stimmt es natürlich, daß er über die Jahre etwas von der Stimmung der Stadt festgehalten hat. Wo sind den nun seine Bilder entstanden? Im Kopf. Zu seiner Arbeitsweise erzählt er, daß er nicht nach der Natur malt. Er schaut sich einen Ort an der ihm gefällt und daraus entsteht dann im Atelier das Bild. Er mischt Anschauung und Phantasie, gestaltet neu. Daher ist es also schwer die Bilder konkreten Straßen zuzuordnen. Bestimmte Stadtviertel oder Gegenden sind aber schon zu erkennen, gerade weil er das typische eines Ortes einfängt. Während unseres Gespräches habe ich den Eindruck, daß der Maler nicht gern über seine Kunst spricht. Immer wenn die Rede von seinen Bildern ist hilft seine Frau aus und erläutert mir freundlich diesen oder jenen Hintergrund. Unausgesprochen steht der Satz im Raum: Was soll ich über die Bilder reden schaut sie euch an.
Zum Abschluß sorge ich noch für Heiterkeit beim Ehepaar Müller-Simon. Ich bin mir ganz sicher, daß ein bestimmtes Bild die Leipziger Neustadt zeigt. Die Hinterhöfe, die Häuser, die Backsteinkirche einfach charakteristisch! Das Bild entstand aber in Plagwitz. Aber das ist doch gut so, tröstet mich Frau Müller-Simon: Sie haben verglichen und sich Gedanken gemacht, also hat die Kunst etwas bewegt.". Uwe Korn, edition k (Reudnitzer Ortblatt Juni 1998) |
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